Theatertreffen: "[EOL]. End of Life" - Trauer? Muss weg!
![Eine virtuelle Ruinenlandschaft - Performative Installation in Virtual Reality von DARUM. [EOL]. End of Life. (Quelle: EOL/DARUM) Eine virtuelle Ruinenlandschaft - Performative Installation in Virtual Reality von DARUM. [EOL]. End of Life. (Quelle: EOL/DARUM)](/content/dam/rbb/rbb/rbb24/2025/2025_05/sonstiges/End_of_Life.jpg.jpg/size=708x398.jpg)
Eine Virtual-Reality-Inszenierung aus Wien ist der nächste Höhepunkt des Theatertreffens. In "[EOL]. End of Life" muss man für einen Großkonzern über Fortbestehen oder Löschung von virtuellen Welten entscheiden. Ein Ereignis. Von Fabian Wallmeier
Exakt 9,6 Quadratmeter misst der Raum, auf dem man die Inszenierung "[EOL]. End of Life" seit Donnerstagmorgen im Gropiusbau beim Berliner Theatertreffen erleben kann. 9,6 Quadratmeter, auf denen man aber durch ziemlich spektakuläre ganze Welten schreitet: Die Inszenierung des Wiener Regieduos "DARUM", bestehend aus Victoria Halper und Kai Krösche, ist Virtual-Reality-Theater. Mit einer VR-Brille und Kopfhörern sieht und hört man dreidimensional um sich herum virtuelle Welten entstehen und verschwinden.
![Eine virtuelle Ruinenlandschaft - Performative Installation in Virtual Reality von DARUM. [EOL]. End of Life. (Quelle: EOL/DARUM) Eine virtuelle Ruinenlandschaft - Performative Installation in Virtual Reality von DARUM. [EOL]. End of Life. (Quelle: EOL/DARUM)](/content/dam/rbb/rbb/rbb24/2025/2025_05/sonstiges/eol-raum.jpg.jpg/size=320x180.jpg)
Viele VR-Inszenierungen versuchen, echte Räume abzubilden und nachempfindbar zu machen. "End of Life" tut das nicht - und ist überhaupt in seiner Komplexität und erzählerischen Tiefe mit nichts vergleichbar, was ich zuvor aus diesem Genre gesehen habe.
Hier geht es von Beginn an um die virtuelle Realität. Von einem Tech-Großkonzern namens IRL bekommt man den Auftrag, virtuelle Welten im Metaversum, die schon seit mindestens zehn Jahren von niemandem mehr betreten worden sind, zu überprüfen und dann zu entscheiden: Kann sie gelöscht werden und damit wertvollen Speicherplatz freiräumen für neue Welten? Oder ist sie trotz ihrer jahrelangen Missachtung schützenswert und verdient es, gewartet zu werden und erhalten zu bleiben?
Datenschutz ist alles
Die virtuelle Anliegerin gibt dabei ganz klare Richtlinien vor und fordert deren Einhaltung später auch aktiv ein. Zu zerstören sind etwa Räume, die technisch fehlerhaft sind. Vor allem aber: Räume, die persönliche Informationen enthalten. Gemeint sind vor allem virtuelle Trauer-Räume mit Avataren der Verstorbenen für die Hinterbliebenen. Begründet wird die Notwendigkeit ihrer Zerstörung mit dem Verweis auf den Schutz persönlicher Informationen.
Doch so freundlich und nachvollziehbar das auch erscheinen mag, setzt der glatte Großkonzern-Sprech doch gleich Zweifel frei. Schnell fragt man sich: Gehe ich nach den vorgegebenen Kriterien vor und lösche alles Persönliche, jede Form von privater Gedenkkultur im virtuellen Raum? Oder höre ich auf mein Bauchgefühl und lasse eine solche Welt aus Mitgefühl bestehen? Oder regt sich sogar mein Widerspruchsgeist, dem das technokratische, wirtschaftlich optimierte Vorgehen des nur auf den ersten Blick freundlich erscheinenden Konzern so zuwider ist, dass ich allein schon deshalb anders entscheide, als von mir erwartet wird?
So betritt man nun immer wieder einen virtuellen Fahrstuhl, der einen in eine neue Welt bringt: mal eine verlassene Küche, mal eine beinahe idyllische Teichlandschaft oder ein versiffter Club. Dort hat man unterschiedlich viel Zeit, um sich umzusehen, bevor der abgelaufene Countdown an der Armbanduhr am Handgelenk zum Zurückkehren in den Fahrstuhl drängt. Dort muss man nun einen Knopf drücken, wobei sich im Sichtfeld eine virtuell-schaufensterpuppenhafte Hand über die eigene stülpt, und damit entscheidet über Löschung oder Fortbestand der begutachteten Welt.
Angestiftet zur Abweichung
Zwar kann "[EOL]. End of Life" aufgrund seiner technischen Komplexität und Einzelbetreuungsintensität immer nur von wenigen Menschen gleichzeitig und insgesamt, trotz der Laufzeit bis zum Ende des Theatertreffens am 18. Mai, von gerade einmal 280 Menschen gesehen werden. Dennoch soll hier für die wenigen Glücklichen, die ein Ticket ergattern konnten, nicht allzu viel verraten werden. Aber so viel dann doch: Schnell tun sich in den Welten unerwartete Störmomente auf, wird man dazu verleitet, vom vorgeschriebenen Protokoll abzuweichen und verbotene Zonen zu betreten.
![Eine virtuelle Ruinenlandschaft - Performative Installation in Virtual Reality von DARUM. [EOL]. End of Life. (Quelle: EOL/DARUM) Eine virtuelle Ruinenlandschaft - Performative Installation in Virtual Reality von DARUM. [EOL]. End of Life. (Quelle: EOL/DARUM)](/content/dam/rbb/rbb/rbb24/2025/2025_05/sonstiges/VR-DARUM.jpg.jpg/size=320x180.jpg)
Und so kommt man mit einer komplexen virtuellen Untergrundwelt in Berührung, die sich dem Speicherraum-Spardrang des Konzerns entgegenstellt und die virtuelle Gedenkkultur aufrechterhalten will. Gebannt und irritiert, manchmal ein bisschen ängstlich geht man weiter - und wird mehr und mehr mit den allerletzten Dingen konfrontiert: mit Fragen nach der Erinnerung an Verstorbene und mit dem eigenen Tod.
Geschickt manipulativ
Visuell hat die Inszenierung beglückende, niederschmetternde, ergreifende Momente: Wenn man zum Beispiel ein Floß betritt, das dann ablegt und über eine Art Hades, den Todesfluss ins Jenseits, auf einen riesigen Turm zusteuert, blickt man um und über sich und bekommt den Mund vor lauter Staunen kaum wieder zu. Oder wenn der Avatar einer Neunjährigen, mit großen, fast echten Augen zu einem aufblickt und von seinem Tod redet, ist das ein bewegender und zugleich enorm geschickt manipulativer Moment.
Nach gut anderthalb Stunden torkelt man, noch leicht verwirrt vom Tageslicht und mit dem Gefühl, dass die Treppenstufen runter ins Foyer des Gropiusbau vielleicht noch Teil der virtuellen Weltl sein könnten und man ins Nichts tritt, wieder raus ins echte Leben. Bewegt, beglückt, verunsichert und den Kopf voller Gedanken. Toll, dass virtuelles Theater zu so etwas imstande ist. Und das auf gerade einmal 9,6 Quadratmetern.
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