Konzert | Mike and the Mechanics in Berlin - Dinosaurier-Musik für die Ewigkeit
Mike Rutherford schrieb mit der Band Genesis Geschichte. Und auch sein Nebenprojekt Mike and the Mechanics hatte einige Hits. Zum 40. Jubiläum der Band wollten sie es noch mal wissen. Von Hendrik Schröder
Das Konzert im Berliner Tempodrom geht los, das Licht wechselt von einem sanftem Lila zu einem schnellen Rot, das erste Stück "A Beggar on a Beach of Gold" ist noch keine fünf Takte alt, da springt im Block 22, Oberrang, direkt neben der Bühne eine Frau in einer Art Lederkleid von ihrem Sitz, boxt ein paar Mal tanzend in die Luft und rastet für die nächsten 120 Minuten komplett aus. Beeindruckend, was für feierwütige Fans Mike and the Mechanics im 40. Jahr ihres Bestehens immer noch haben.
Wildes Klatschen im Takt oder daneben
Das Tempodrom ist knackvoll mit Leuten, deren Jugend dem Anschein nach wild und aufregend war. Aber auch schon ein paar Sommer in der Vergangenheit liegt. Komplett bestuhlt ist die Halle, aber das Spiel geht natürlich so: Bei den bekannten Stücken wie "Over my Shoulder", "All I need is a Miracle", "Silent Running" und wie sie alle heißen, reißt es die Leute wild im Takt (oder manchmal auch wild neben dem Takt) klatschend aus den Stühlen, bei den Songs aus der zweiten Reihe wird sich wieder hingesetzt und etwas Luft geholt. Allerdings ist es für den Durschnittshörer ganz und gar erstaunlich, wie viele Lieder Mike and the Mechanics haben, bei denen man denkt: "Ach, das ist auch von denen?"
Wie viel hilft der Computer?
Allerdings klingen sie dabei phasenweise wie ihre eigene Cover-Band. Perfekt wäre wirklich eine Beleidigung. Über-perfekt ist es. Bei manchen Stücken spürt man das leicht veränderte Arrangement, das angezogene Tempo, die variierten Gesangslinien. Andere Songs hingegen klingen exakt wie von der Platte.
Alle Beteiligten spielen wie nicht von dieser Welt und dann hilft hier und da, mutmaßlich, auch noch der Computer mit und fügt Instrumente hinzu, die man gar nicht sieht. Das war früher vielleicht mal verpönt, heute macht das nichts mehr. Und die beiden Sänger, Andrew Roachford im weißen Anzug und Tim Howard in schwarzer Jeans, haben auch ohne Playback überragende Stimmen und zwingen dem Berliner Publikum den Schweiß auf die Haut, wenn sie es wieder und wieder mitsingen, mitjubeln, mitklatschen lassen.
Phil Collins ist allgegenwärtig
Hinten an den Drums arbeitet dabei, stoisch, super souverän und nur lächelnd wenn er muss: Nic Collins. Ja, das ist der Sohn von Phil Collins. Und er sieht ihm auch extrem ähnlich. Und natürlich spielen Mike und seine Mitstreiter an diesem Abend auch ein paar Genesis-Songs. "I can't dance" und "Land of Confusion" zum Beispiel. Lieder, die Mike Rutherford viele Jahre mit Phil Collins gemeinsam spielte.
Seit 2022 treten Genesis nicht mehr auf, seit 2023 ist der Junior jetzt bei den Mechanics. Die Leute im Tempodrom lieben ihn, der Applaus bei der Vorstellung der Band ist riesig.
Mit gebrochener Hüfte
Und Mike Rutherford? Der Chef der Mechanics und legendäre Genesis-Gitarrist-und-Bassist? Der ist die coolste Hupe von allen. Im perfekt sitzenden hellblauen Anzug sagt er gleich am Anfang, auf Deutsch, erklärend, warum er auf einer Krücke auf die Bühne kommt: "Ick habe mein fucking Hüfte gebrocken, aber ... let's go!" Den Rest des Abends lässt er bis auf ein paar sehr kultivierte freundliche Ansagen die Gitarre sprechen und die anderen singen.
Klar ist das alles uralt, was Mike and the Mechanics da machen. Dinosaurier-Musik aus einem anderen Jahrtausend. Die Arrangements sind für moderne Ohren langatmig. Das akustische Medley in der Mitte des Sets aus Genesis, Mike and the Mechanics und Cover-Songs klingt wie aus der Zeit gefallen. Aber dennoch ist das so klug, mitreißend und catchy für die Ewigkeit komponiert und mit so viel Verve und Herzblut vorgetragen, dass die Frau im Lederkleid in Block 22 auch noch zwei Stunden weitergetanzt hätte.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.05.2025, 6:55 Uhr