Streit um Verfassungsschutz - Brandenburger Innenministerin war über AfD-Hochstufung frühzeitig informiert

Do 08.05.25 | 15:12 Uhr
  61
Katrin Lange (r, SPD), Brandenburgs Ministerin des Inneren und für Kommunales, wartet nach einer Pause der Sitzung des Landtags-Ausschusses für Inneres und Kommunales auf die Fortsetzung. (Quelle: dpa-Bildfunk/Sören Stache)
dpa-Bildfunk/Sören Stache
Video: Brandenburg Aktuell | 08.05.2025 | Markus Woller | Bild: dpa-Bildfunk/Sören Stache

Brandenburgs Innenministerin soll erst am Montag über die Höherstufung der AfD informiert worden sein. Nach rbb-Informationen hatte es aber vorher bereits Gespräche zwischen ihr und der Verfassungsschutzleitung gegeben. Die Brandenburger CDU beantragt Akteneinsicht.

Innenministerin Katrin Lange (SPD) war über die Pläne des Verfassungsschutzes, die AfD in Brandenburg als gesichert rechtsextremistisch einzustufen, offenbar doch umfänglich informiert. Dies zeigen Hinweise von rbb|24 Recherche aus Kreisen des Ministeriums. Der Ministerin sei auch ein Ausdruck des Berichts mit mehreren hundert Belegen vorgelegt worden, die eine Neubewertung rechtfertigten.

Die Brandenburger CDU-Fraktion teilte am Donnerstag mit, der Kommunikation zwischen dem entlassenen Chef des Verfassungsschutzes und der Innenministerin auf den Grund gehen zu wollen. Es gebe den Verdacht, dass Katrin Lange - anders als von ihr behauptet - Informationen zur Hochstufung der Landes-AfD als gesichert rechtsextrem weit vor dem 5. Mai vorlagen. Deshalb habe die Fraktion nun Akteneinsicht beim Innenministerium beantragt, wie die Fraktion mitteilte.

"Die Ausführungen der Ministerin gestern im Innenausschuss, von dem Vorgang der Hochstufung nichts gewusst zu haben, halte ich für nicht glaubwürdig", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Rainer Genilke, laut der Mitteilung. Mit der Akteneinsicht erhoffe er sich mehr Transparenz und werde den Vorgängen jetzt auf den Grund gehen. "Wären die Aussagen der Ministerin nicht wahrheitsgemäß, hätte sie ihrem Amt und ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit schweren Schaden zugefügt, der nicht ohne Konsequenzen bleiben könnte."

Lange verteidigt Rauswurf

Lange hatte am Dienstag den Leiter des Verfassungsschutzes, Jörg Müller, in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Als Grund führte sie fehlendes Vertrauen an. Müller habe die AfD Mitte April intern als gesichert rechtsextrem eingestuft, sie aber erst am Montag darüber in Kenntnis gesetzt. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa hatte Müller beteuert, er habe sich "nichts vorzuwerfen".

Im Innenausschuss des Landtages am Mittwoch hatte Lange eingeräumt, es habe "selbstverständlich Gespräche gegeben". Dass die Arbeit über die Höherstufung aber abgeschlossen sei, sei ihr erst am Montag "zur Kenntnis gelangt." Ein Sprecher des Innenministeriums sagte am Mittwoch auf Anfrage von rbb|24, dass der Hausleitung bis zum Wochenende unbekannt gewesen sei, dass auch der Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes Entscheidungen über eine Einstufung alleine treffen konnte. Das sei bis 2023 anders gewesen.

Die SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag stellt sich in der Debatte über das Vorgehen des Landesverfassungsschutzes hinter Innenministerin Katrin Lange.

Vizefraktionschef Erik Stohn sagte am Donnerstag im rbb24 Inforadio, die Ministerin hätte zügig darüber informiert werden müssen, dass der Verfassungsschutz die Brandenburger AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat. Stohn betonte, inhaltlich gebe es keine Differenzen zwischen Lange und dem Chef des Verfassungsschutzes, Jörg Müller. Es habe da aber eine Kommunikationspanne gegeben.

Jusos: Erwarten handlungsfähige Sicherheitsbehörden

Die Parteijugend der Sozialdemokraten, die Jusos, nannten die Entlassung von Müller "ein denkbar schlechtes Zeichen in Zeiten, in denen wir im Kampf gegen die Demokratiefeinde gemeinsam stehen müssen". "Wir erwarten handlungsfähige Sicherheitsbehörden, die auf Grundlage der neuen Erkenntnisse arbeiten, um unsere Verfassung zu schützen und den gesichert rechtsextremen Demokratiefeinden entschlossen entgegenzutreten", sagte der Juso-Landesvorsitzende Leonel Richy Andicene.

Die Innenministerin müsse nun umso mehr sicherstellen, dass ihr Haus die gesichert rechtsextreme AfD weiterhin beobachten könne, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Annemarie Wolff.

Grüne: Rauswurf eines Kämpfers gegen Rechtsextremismus

Die Grünen, die nicht im Landtag vertreten sind, kritisierten, für sie stelle sich die Entlassung weiterhin "wie ein politisch motivierter Rauswurf eines anerkannten Fachmannes und Kämpfers gegen Rechtsextremismus" dar. Die frühere Linke-Landtagsabgeordnete Isabelle Vandre warf Lange vor, sie geriere sich seit Monaten mit immer härteren Forderungen in der Migrationspolitik als Stichwortgeberin für den Rechtspopulismus.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 08.05.20205, 19:30 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 08.05.2025 um 17:12 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

61 Kommentare

  1. 60.

    Im Rechtsstreit um die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch hat der Verfassungsschutz eine "Stillhaltezusage" abgegeben. Bis zu einem Gerichtsurteil wird der Nachrichtendienst die Aussage nicht öffentlich wiederholen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bezeichnet die AfD bis zu einer Gerichtsentscheidung über ein Eilverfahren nicht mehr öffentlich als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Der Nachrichtendienst gab im Rechtsstreit mit der AfD eine sogenannte Stillhaltezusage ab. Das bedeutet, dass das BfV die AfD bis zu einem Urteil nicht offiziell als extremistisch führen wird, sondern vorerst nur als Verdachtsfall. Auch die Pressemitteilung, in der das BfV die Hochstufung vom Verdachtsfall verkündet hatte, wurde von der Homepage gelöscht.

  2. 58.

    Man muss nicht alles glauben, was Herr Chrupalla und Frau Weidel erzählen. Die sind genauso verblendet, wie ihre Wähler.

  3. 57.

    ... warum ist der Bürger nicht überrascht... Führung hat mit Kompetenz zu tun und nicht mit dem Parteibuch ...

  4. 56.

    Ich hoffe inständig, dass der rbb an den Thema mit einer guten investigativen Truppe dran bleibt und alles transparent macht, was da gerade verzapft wird. Die Kommentare zeigen ja die nachvollziehbare Empörung über das bisherige politische Handeln.
    Und ich hoffe, dass es genug Parlamentarier gibt, die sich auch von innen um Aufklärung und Transparenz kümmern und nicht politischem Gruppenzwang durch die Parteiführung erliegen.

  5. 55.

    Als Fehler würde ich das nicht unbedingt bezeichnen, gerade vor dem Hintergrund, dass in der DDR die Stasi den Staat in der Hand hatte, nur per Behauptung war das umgekehrt. Nun ging nach 1990 darum, Entscheidungen zu treffen, wie eine riesenhafte Krake zu verhindern sei und dennoch Informationen gesammelt werden können, die auf Gefährdungen schließen lassen.

    Neben den gravierenden Unterschieden der politischen Systeme gibt es sehr wohl Überschneidungen in der Logik von Geheimdiensten aus ihrer inneren Struktur heraus, die durch eine äußere, parlamentarische Kontrolle nur sehr bedingt in den Griff zu kriegen sind. Geheimdienste neigen zu einem Rasterdenken - in Berlin kommt dies treffend sogar architektonisch zum Ausdruck -, die angeworbenen V-Leute entstammen zumeist dem Milieu, das sie beobachten sollen. Die sind ja nicht umsonst da gelandet.

    Der Zwiespalt, um Erkenntnissen willen in einer Grauzone zu agieren, die partout nicht weiß sein kann, bleibt.

  6. 54.

    Was hat Bitteschön die kritische Meinungsäußerung mit der Würde zu tun ? Wer schräge Dinge tut, muss auch akzeptieren schräg gesehen zu werden.

  7. 53.

    Man bezeichnet die AfD als undemokratisch um ein undemokratisches Vorgehen gegen die AfD zu rechtfertigen.

  8. 51.

    Das ganze Gezerre durch Frau Lange um ihren entlassenen Verfassungsschutz Präsidenten zeigt wieder einmal das der Verfassungsschutz nicht unabhängig und eigenständig arbeitete, wie Frau Fäser in ihrer hochstufungs Rede verkündet hat.

  9. 50.

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz setzt Einstufung der AfD als rechtsextrem aus, man kann sich hier also wieder beruhigen. War klar das es so kommt, und völlig richtig!

  10. 48.

    Bei der Einschätzung von Personen ist natürlich immer Vorsicht geboten, weil dies leicht in eine Art Denunzierung ausarten kann. So will ich es anders versuchen: Mein persönlicher Eindruck ist, dass Katrin Lange weniger für eine langfristige Strategie steht, sondern eher für ein Hau-Ruck-Verfahren, also jeweils nur auf spezifische Ereignisse REagiert.

    Auch würde es nicht gerade von persönlicher Souveränität zeugen, Dasjenige, was sie an Wissen faktisch zwischen Tür und Angel in ihrem Zeitplan erlangt hat, als Nicht-Informiertheit zu bezeichnen. Doch ihre Zeitorganisation ist ihre Verantwortung, gerade wenn ein Termin den anderen jagt.

    Wo sie sich ggf. mit Dietmar Woidke einig ist: Es ginge darum, in der Koalition ggü. dem BSW bedingtes Wohlverhalten zu zeigen. Da wäre zu berücksichtigen, dass es Überschneidungen der Wählerreservoire zwischen AfD und BSW gibt, diese Menschen nach Ansicht des BSW nicht vor den Kopf gestoßen werden sollen.

  11. 47.

    Das ist richtig. In Brandenburg hat der Inlandsgeheimdienst im Gegensatz zu den anderen Bundesländern keinen Präsidenten. Gleichwohl sind auch die anderen Geheimdienste weisungsgebunden gegenüber ihrer jeweiligen politischen Leitung in der Innenbehörde.

  12. 46.

    Da kommt man nicht weit ,wenn man Realität & Wahrheit ausspricht in der Politik und leider auch in anderen Berufen !
    Politiker ist doch Beruf ...Berufung ,gell?!?

  13. 45.

    Man kann ja zur SPD stehen wie man will, aber ich erkenne noch in den Aussagen von Dr. Rolf Mützenich, Lars Klingbeil, Matthias Miersch, Saskia Esken etc. eine klare Abgrenzung zu den "Höcke/Krah"-Kräften und würde mich entschieden dagegen verwahren, das Verhalten von einer Katrin Lange zu verallgemeinern, auch wenn ich zugeben muss, dass ich zumindest so eine Gesinnung auch in der ostdeutschen SPD niemals vermutet und kategorisch ausgeschlossen hätte.
    Und mir ist überhaupt nicht klar, warum man mit dieser Einstellung in die SPD eintritt und zudem noch ein Ministeramt des Inneren bekleiden darf.
    Für die Brandenburgische SPD kann ja Lange kein unbeschriebenes Blatt sein.

  14. 44.

    Oh mein Gott! Der Landtag Brandenburg hatte ja schon Bausachmerzen mit der Stellenbesetzung des neuen Generalstaatsanwalts, gerade wegen des Netzwerks. Wie sich nun zeigt, lag damals schon was gehörig in der Luft, was jetzt an die Oberfläche quillt. Der Generalstaatsanwalt Wilkening sollte sofort gehen. So einen brauchen wir hier nicht.

  15. 43.

    Hier gehts überhaupt nicht darum, ob einem die gegenwärtige Politik der SPD gefällt oder nicht. Hier gehts darum ob man sich für die Demokratie, also unsere freiheitlich liberale Grundordnung entscheidet oder für den Faschismus.
    "Die Würde des Menschen ist unantastbar"!!!

  16. 42.

    Wenn neben der AfD die selbsternannten Sozialdemokraten zu feinden der Demokratie werden.
    Die willigen Helfer und Helferinnen outen sich.

    Die Zahl der wählbaren Parteien wird immer kleiner.

    AfD, CDU, CSU, FDP, BSW sind schon lange raus und die SPD gesellt sich nun dazu.

Nächster Artikel