Konzert | Ralph Heidel in Silent Green - Wie im Traum
Der Musiker Ralph Heidel ist als Bandmitglied, Produzent und Komponist meistens eher im Hintergrund zu finden. Bei seinem Solo-Konzert in Berlin stand er Dienstagabend aber dann mal selbst im Mittelpunkt. Und das zu Recht, findet Jakob Bauer.
Es liegt eine stille, fast meditative Stimmung über dem achteckigen Veranstaltungsraum im Berliner Silent Green. Das Publikum sitzt im Kreis, in der Mitte die Instrumente, das Licht ist gedimmt. Nebelschwaden steigen nach oben. Und dort, auf dem Balkon im ersten Stock, ertönen sehnsuchtsvolle Rufe: Ralph Heidel und sein Mitmusiker Moritz Stahl schicken sanfte Saxophon-Klänge hin und her, unten nimmt Daniel Scheffels (der später ans Schlagzeug wechselt) am Klavier Platz. Nimmt das Motiv auf, hält es, umspielt es, bis die beiden Saxophonisten herunterkommen, in den Kreis treten und dieser volle, warme Gesamtklang das erste Mal so richtig in den Raum hineinfährt.
Solo-Heidel ist Best Of-Heidel
Ralph Heidel ist ein Multitalent. Er spielt viele Blasinstrumente – Saxofone genauso wie Flöten – dazu Flügel und Synthesizer. Er kommt aus dem Jazz- und Kunstmusik-Bereich, ist dort als Komponist tätig, hier in Berlin als Produzent und Band-Musiker in die Indie- und auch Rap-Szene eingestiegen und komponiert auch fürs Theater. In seiner Solo-Musik – gerade ist sein neues Album anyways.onto better things erschienen – ist das alles auch neu zusammengesetzt wiederzufinden: Die Liebe zu sofort ins Herz gehenden Melodien und Harmonien, die man ja aus dem Pop kennt. Aber eben auch die kunstvolle Gestaltung von Klangräumen, in denen sich diese Melodien dann entwickeln dürfen. Das Spiel mit Formen, mit Differenzen und Wiederholungen.
Die Drei vom Späti
Dafür braucht es natürlich eine Band mit dem richtigen Gefühl. Anschauen, den anderen zuhören, wahrnehmen, reagieren – dieses Trio macht das mit einer so großen musikalischen und auch menschlichen Zuneigung, man hat fast das Gefühl, dass da so ein bisschen musikalische Verliebtheit oder zumindest tiefes Vertrauen in den Blicken mitschwingt, das in fast kindliche Freude umschwenkt, wenn mal wieder ein Moment so richtig sitzt.
Dabei könnten die drei Jungs rein optisch statt im Silent Green hoch-virtuose Musik zu spielen auch im Späti an der Ecke für die Clubnacht vorglühen. Der eine mit weißem Longsleeve und Käppi, der andere mit weiter Hose, stylischem Schnauzer und Ohrring, Ralph Heidel selbst in einer Art blauem Nachthemd mit langen, blond-wallenden Haaren. Top-Style, modisch und musikalisch.
Feeling statt Pose
Denn wie die Musiker selbst ist ihre Musik trotz der Komplexität nie breitbeinig und muckerhaft angelegt, auf die Art: Schaut nur her, was ich kann! Stattdessen flattert das Saxophon zerbrechlich, Heidel versinkt mit dem
Kopf fast in der Klaviatur, weil er sich so in die Klänge legt, der Analog-Synthesizer erzeugt wundervolle warmes Surren. Nur ab und zu kommen ein paar zaghafte, gestreichelte Beats dazu. Was aber dauerhaft präsent ist, sind die Verfremdungen. Um die 40 Effektgeräte stehen da rum, viele davon machen viele unterschiedliche Formen von Hall. Aber trotzdem klingt das nie verwaschen. Auch wenn viel geloopt und gestapelt wird, geht’s hier nicht um Überwältigung, sondern das gefühlvolle, sinnliche Aufbauen von Klangräumen. Mensch und Maschine fließen hier überzeugend ineinander. Jazz, ambitionierter Pop, elektronisches Experiment rasten genau an den richtigen Schnittstellen ein. Mit dem Höhepunkt, wenn Gastsängerin Lisa Harres nach einer hypnotischen, elektronischen Sequenz mit klarer Stimme und umarmt vom Saxophon "Oh Cherrytree" ins Mikro haucht. Und man muss sich ein bisschen die Augen reiben, wenn das Licht wieder heller wird, man diesen intimen Kreis verlässt und man ein wenig benommen, aber so auf die gute Art, zurück nach draußen in den weniger filigranen Wedding stolpert.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.05.2025, 8:55 Uhr