Berliner Behörden - Was Katzen im Tierheim mit der Verwaltungsreform zu tun haben

So. 27.04.25 | 11:54 Uhr | Von Tobias Schmutzler
  13
Eine Katze im Tierheim Berlin am 05.06.2024. (Quelle: IMAGO/Sabine Gudath)
Video: rbb24 Abendschau | 27.04.2025 | Tobias Schmutzler | Bild: IMAGO/Sabine Gudath

Hunderte Aufgaben der Berliner Behörden sind nicht oder unklar verteilt – wie das Einfangen von Tieren oder die Kampfmittelräumung. Die Verwaltungsreform soll das bis Jahresende lösen - die größten Konfliktfälle sind jedoch offen. Von Tobias Schmutzler

  • Immer noch rund 500 behördliche Aufgaben in Berlin ohne klare Zuständigkeit
  • Beispiele: Tierfunde, Standesämter, Ehrengräber
  • Bis Jahresende soll Verwaltungsreform Lösungen liefern

Mutter Fiona und ihre drei Katzenkinder haben die Nummer S13988. So steht es auf dem Zettel an der Glasscheibe des Abteils, in dem die Siamkatzen-Familie aktuell im Tierheim Lichtenberg lebt. Die Tiere mit dem schwarz-braunen Fell und den himmelblauen Augen wurden in einer Privatwohnung sichergestellt, waren unterernährt und erkältet.

"Meist gibt es in solchen Fällen Anzeigen beim Veterinäramt, etwa von Nachbarn, dass die Haltung nicht in Ordnung ist. Das überprüft das Amt dann", erklärt Ines Bernhardt, die seit 13 Jahren im Tierheim Lichtenberg arbeitet. In der dortigen Tiersammelstelle kommen alle gefundenen und sichergestellten Tiere Berlins zunächst unter. Inzwischen haben die Tierheimpflegerinnen Fiona und ihre Kinder aufgepäppelt.

Einige Hundert Meter Luftlinie entfernt auf dem Tierheimgelände sitzt ein zierlicher weißbrauner Kater mit braunen Augen in einer Käfigbox. Er ist einer der Neuankömmlinge in der Tiersammelstelle und bisher noch namenlos. Erst am Vortag wurde er von privaten Findern bei der Polizei abgegeben, anschließend haben ihn Tierfänger des Bezirks hierhergebracht.

Andere Zuständigkeiten bei Fund- und sichergestellten Tieren

Kurioserweise illustrieren die Fälle dieser Katzen beziehungsweise die Umstände, wie sie im Tierheim gelandet sind, eins der Hauptprobleme der Berliner Verwaltung: nämlich unklare Zuständigkeiten. Während Fundtiere wie der namenlose Kater grundsätzlich dem Politikfeld Sicherheit und Ordnung und damit der Senatsverwaltung für Inneres zugeordnet werden, sind sichergestellte Tiere wie die aus einer Wohnung geholte Siamkatzen-Familie dem Politikbereich Tierschutz und damit der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz zugeordnet. Das ist problematisch, da das untergeordnete Bezirksamt dadurch keine klare Ansprechpartnerin hat.

Das "Ping-Pong" zwischen den Senatsverwaltungen führe zu diversen Schwierigkeiten, sagt Filiz Keküllüoğlu (Grüne), Bezirksstadträtin für Verkehr, Ordnung und Umwelt in Lichtenberg. Ein Beispiel sei die Anpassung der Gebührenordnung, die das Lichtenberger Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben als zuständige Behörde für Fundtiere beantragt hatte. "Die Anpassung der Gebühren für die Benutzung von Tiereinrichtungen hat sich um mehrere Jahre verzögert, da sich die Senatsverwaltung für Inneres und Sport und die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz über die Zuständigkeit uneinig waren. Somit sind dem Land Berlin Einnahmen verloren gegangen", so Keküllüoğlu.

Bezirk fordert "eindeutige Zuständigkeit" im Senat

Unklar sei auch, wer die zusätzlichen Gelder für den bald nötigen neuen Vertrag mit dem Tierheim Lichtenberg anmelden wird, sagt die Stadträtin. "Bei derart wichtigen Angelegenheiten des Tierschutzes nehmen die Senatsverwaltungen nicht so, wie es sein sollte, ihre Aufgaben wahr und erschweren für den Bezirk dadurch effiziente Prozesse", kritisiert sie. "Für die Bezirke ist es im Grunde egal, welche Senatsverwaltung hier die Zuständigkeit innehat; doch wichtig ist eine eindeutige Zuständigkeit, die im Zuge der Verwaltungsreform geregelt werden muss."

Seit der Verwaltungsreform im Jahr 2001 übernimmt der Bezirk Lichtenberg die Aufgabe des Tierfangs für ganz Berlin. Es handelt sich um eine sogenannte regionalisierte Bezirksaufgabe. Mehrere Beschäftigte des Bezirksamts Lichtenberg sammeln mit Transportern in ganz Berlin Hunde, Katzen und Co. ein. Auch Tiere, die private Finder bei der Polizei abgeben, holen die Tierfänger ab und bringen sie zur Tiersammelstelle in Lichtenberg. Mehrmals täglich und auch nachts kommen die Tierfänger vorbei. "Wir bekommen gefühlt rund um die Uhr Tiere", sagt Ines Bernhardt aus der Tiersammelstelle.

Insgesamt hat das Tierheim Lichtenberg nach eigenen Angaben im Jahr 2024 insgesamt über 4.000 Tiere aller Art aufgenommen, darunter über 2.100 Fundtiere und fast 900 sichergestellte Tiere. Durchschnittlich werden am Tag gut 1.300 Tiere gleichzeitig in Europas größtem Tierheim betreut.

Wir haben bisher keinen klaren Überblick über die Aufgaben und wer dafür zuständig ist.

Martina Klement, Staatssekretärin für Verwaltungsmordernisierung

4.000 Aufgaben in 29 Bereiche geteilt

Das Beispiel der unklaren Zuständigkeiten beim Tierfang ist für Martina Klement (CSU), Staatssekretärin für Verwaltungsmodernisierung, eins der deutlichsten Beispiele, warum die Berliner Verwaltungsreform dringend nötig ist. "Wir haben bisher keinen klaren Überblick über die Aufgaben und wer dafür zuständig ist", so Staatssekretärin Klement.

Seit vergangenem Jahr werde deshalb ein Katalog erstellt, der alle insgesamt 4.000 Berliner Verwaltungsaufgaben in 29 Politik- und Querschnittsfelder einteilt, so Klement. 800 dieser Aufgaben waren laut Klement in der Vergangenheit unklar oder sogar gar keiner Senatsverwaltung zugeteilt. "Unser Ziel ist, bis zum Inkrafttreten des neuen Landesorganisationsgesetzes zum 1. Januar 2026 den Zuständigkeitskatalog vollständig vorliegen zu haben."

Noch 500 Verwaltungsaufgaben haben bisher keine klare Zuordnung

Von etwa 800 bisher unklaren Zuständigkeiten seien bereits gut 300 Fälle gelöst, so Klement. Die verbleibenden zirka 500 Aufgaben sollen bis Jahresende klar einer Behörde zugeteilt werden. Der Prozess funktioniere so: Zunächst mache die Senatskanzlei in jedem Fall einen Vorschlag, zu welchem Politikfeld eine Aufgabe künftig gehören soll. Im weiteren Verlauf tauschen sich die verschiedenen Verwaltungen aus.

Als "heiße Kartoffeln", um die sich niemand kümmern möchte, will Staatssekretärin Klement die strittigen Fälle aber nicht bezeichnen. Im Alltag würden auch die bisher unklar zugeteilten Aufgaben meist erledigt, aber es fehle eben dann die politische Steuerung auf Senatsebene. "Und dann haben wir leider, wie wir es heutzutage oft erleben, in zwölf Bezirken zwölf unterschiedliche Lösungen für den gleichen Sachverhalt."

Weitere Beispiele: Standesämter, Kampfmittel, Ehrengräber

Neben dem Tierfang gibt es weitere Beispiele für bisher unklare Zuständigkeiten: Bei den Standesämtern hatte die unklare Zuteilung immer neuer Aufgaben in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Standesämter zwar immer mehr Arbeit erledigen müssen, aber keine neuen Stellen durch das Land Berlin finanziert bekamen. Die Folge war eine Überlastung, die dazu geführt hat, dass beispielsweise in einigen Bezirken nicht mehr am Wochenende geheiratet werden darf.

Noch ein Fall ist die Kampfmittelräumung, in Behörden-deutsch die Bergung nicht-chemischer Kampfmittel sowie Beseitigung ehemaliger Kampfanlagen. Hier ist die Verantwortung zwischen den Politikfeldern Mobilität und Inneres nicht eindeutig geklärt.

Zudem liegt bei Ehrengräbern des Landes Berlin die Zuständigkeit für die praktische Ausführung der Grabpflege bei den Bezirken, genauer gesagt bei den Friedhofsverwaltungen. Doch unklar ist, welche Senatsverwaltung für die übergeordnete Steuerung zuständig ist. Dadurch ist in der Praxis nicht geregelt, wie genau die Pflege eines Ehrengrabs eigentlich aussehen soll. Im Alltag würden viele dieser Grabstätten nicht oder nur unzureichend gepflegt, schreibt die Senatskanzlei auf Anfrage. "Oder vielleicht sind sie auch nur deshalb gut gepflegt, weil sich engagierte Mitarbeiter oder private Initiativen um die Gräber kümmern."

Dass eine Aufgabe bisher keinem Politikfeld eindeutig zugeordnet ist, heiße jedoch nicht automatisch, dass diese Aufgaben derzeit nicht erledigt werden, betont die Senatskanzlei. In den meisten Fällen würden die Aufgaben vielmehr auch bisher wahrgenommen – nur oftmals von unterschiedlichen Stellen, in unterschiedlicher Ausprägung und Qualität.

Sendung: rbb24 Abendschau, 27.04.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Tobias Schmutzler

13 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 13.

    Was hat ihr „Corona-Kommentar“ eigentlich mit der Meinung von @Anke#10 zu tun. Ja ihr orthogonaler „Corona-Kommentar hat nicht mal was mit verantwortlicher Tierhaltung zu tun. Und die Corona-Einschränkungen sind nun definitiv nicht Schuld an der Einstellung vieler Menschen zu Lebewesen. Sowas steckt nun immer noch in jedem Menschen selbst und hat im Übrigens auch was mit Bildung, Ethik und Erziehung zu tun.

  2. 12.

    Nochmal gerne, wie viele Hunde und Katzen können sie denn artgerecht halten ? Würde Mensch sich nicht so verachtend gegen über den anderen Wesen benehmen, hätten wir das Problem nicht.

  3. 11.

    Dann fragen sie doch bitte auch, warum man während der Pandemie nur mit einem Hund rausgehen durfte? Viele dieser aus diesem Grund angeschafften Tiere werden heute lieblios gehalten, ausgesetzt , im Tierheim abgegeben oder aber einfach getötet und entsorgt. Es gibt nicht nur eine Sichtweise, sondern viele, für die der Senat Zuständigkeiten haben müsste. Es lohnt sich, einmal über den Tellerrand zu schauen.

  4. 10.

    Das Hauptproblem liegt hier an den Haltern der Tiere. Wer nicht in der Lage ist, ein Tier artgerecht zu halten, sollte die Finger davon lassen. Hier soll die Behörde massiv eingreifen. Überprüfungen zum Schutz der Tiere. EINE Kontrollstelle und der Rest Bürokratie weg.

  5. 8.

    Einen Zuständigkeitskatalog gibt es schon seit Jahrzehnten. Dass man dessen Fortschreibung nun zur Verwaltungsreform hochjubelt, ist für Außenstehende eher drollig, aber für Berliner leider ärgerlich.

    Eine echte Verwaltungsreform wäre die Umsetzung einer hierachischen Struktur, damit Berlin endlich wie eine Stadt verwaltet wird. Wenn sich Verwaltungen über ihre Zuständigkeiten streiten können, dann liegt es daran, dass es keine Entscheidungsebene gibt, die das bestimmen kann. Das konnte man zuletzt bei den Canabis-Vereinen wieder Mal erleben.

    Niemand außer politische Parteien braucht Bezirksfürstentümer und Senatoren, die in ihrem Geschäftsbereich die alleinige Hoheit haben. Es genügt ein Senat der entscheidet und nachgeordnete Verwaltungen, die das umsetzen.

  6. 7.

    „eine ganze Reihe von hochbezahlten Verwaltungsbeamten”
    Wenn die so hoch bezahlt wären, glauben Sie nicht, dass dann die Reihe deren, die es werden wollen sehr viel länger wäre, die Menschen sich prügeln würden für einen AP im ÖD?

    „Und Senat und Bezirk: da hackt einer Krähe der andere...“
    Doch genau das tun sie und das kostet Zeit und Geld, die beide anderswo besser verwendet werden sollten.

    „Vielleicht sollte man sich zur Lösung des Problems einen unabhängigen sachverständigen Fachmann/Frau aus der Wirtschaft holen. Und mit sämtlichem Befugnissen ausstatten, die erforderlich sind.”
    Ja aber immer doch, weil es im Privaten ja IMMER besser klappt (keine Insolvenzen) und sich dort NIEMAND die Rosinen rauspickt, sondern immer an alle denkt. Was halten Sie davon Elon Musk anzufragen? Der hat eh gelegentlich in der Gegend zu tun und Erfahrung damit die Bürokratie eines Landes aufzuräumen. Er ist quasi das Sinnbild eines erfolgreichen Behörden-Reformators.

  7. 6.

    Die Tiersammelstelle wird vom Bezirksamt Lichtenberg betrieben.
    Das Tierhein Berlin wird dagegen vom Tierschutzverein Berlin betrieben.
    Das sind 2 unterschiedliche Einrichtungen. Während die erste aus Steuergeldern finanziert wird, wirbt der Verein um Spenden.

  8. 5.

    Passierschein A 38...

  9. 4.

    Da liegt das Problem eher tiefer…. Wie soll so eine Firma etwas verändern, wenn überspitzt gesagt mit Fax und Schreibmaschinen gearbeitet wird.
    Sollte dann mal die Technik halbwegs da sein, dann kommt der Datenschutz.

  10. 3.

    „Vielleicht sollte man sich zur Lösung des Problems einen unabhängigen sachverständigen Fachmann/Frau aus der Wirtschaft holen. Und mit sämtlichem Befugnissen ausstatten, die erforderlich sind."
    Sie glauben gar nicht, wie oft wir solche „Organisationsüberprüfungen" durch Wirtschaftsinstitute in der Berliner Verwaltung schon hatten. Ergebnis meistens =0. Außer, dass die Institute Millionen daran verdient haben.

  11. 2.

    In Sachen außenstehende beratende Fachleute kann ich beitragen, dass meine Behörde seinerzeit, eine renommierte Beraterfirma für viel Geld beauftragte, mal auf die Effizienz zu schauen. Fazit kurzum: Eine effektivere Durchführung der Aufgaben der Behörde und deren Beschäftigten, erscheint nicht möglich bzw. nicht zielführend. Das ganze Ding hatte sicherlich ein Jahr gedauert und man kann sich vorstellen, wieviel Geld da floss.

  12. 1.

    Kein Wunder, dass in Berlin so vieles nicht funktioniert.
    Zwischen den Sachbearbeitern und den zuständigen Politikern sitzt noch eine ganze Reihe von hochbezahlten Verwaltungsbeamten, die offensichtlich auch kein Interesse daran haben, an Lösungen zu arbeiten. Vielleicht haben wir auf den Ämtern nicht zu wenig sondern zu viel Personal.
    Und Senat und Bezirk: da hackt einer Krähe der anderen ...

    Ich behaupte, wenn man Probleme lösen will, findet man einen Weg, das zu tun. Im Privaten muss es ja auch funktionieren. Leider gibt's für Politikern keine Zielvereinbarungen oder Teile des Gehalts als erfolgsabhängige Provision.

    Vielleicht sollte man sich zur Lösung des Problems einen unabhängigen sachverständigen Fachmann/Frau aus der Wirtschaft holen. Und mit sämtlichem Befugnissen ausstatten, die erforderlich sind.

Nächster Artikel