Die Haare bunt, smokey eyes, abgedrehte Klamotten, Berliner Schnauze und rauchige Stimme - Punkrock Ikone Nina Hagen wird 70 Jahre alt.

Die deutsche "Godmother of Punk" ist selbstverständlich Union-Fan. Die Künstlerin mit Ost-Berliner Wurzeln sang "Eisern Union" erstmals im November 1998 vor 3.300 Fans - der Song ist seither die Hymne der Köpenicker. Bei jedem Union-Heimspiel ertönt: "Eisern Union" - bei besonderen Anlassen auch in der Nina-Hagen-Version.

Am 11. März 1955 erblickt Catharina "Nina" Hagen in Berlin-Friedrichshain. Ihre Mutter Eva-Maria ist eine berühmte DDR-Schauspielerin, ihr Vater der Drehbuchautor Hans Hagen. Früh trennen sich ihre Eltern, nicht einfach für das Mädchen. Später wird Liedermacher Wolf Biermann zu ihrem Ziehvater. 1965 erhält Biermann Auftrittsverbot, Ninas Antrag für die Schauspielschule wird abgelehnt.

Sie findet andere Wege für die Kunst: Nina (re) geling es, in einigen DEFA-Filmen mitzuspielen. Im Studio für Unterhaltungskunst erhält sie eine professionelle Gesangsausbildung und wird zunächst - Schlagersängerin. Aber sie hat anderes im Kopf: "Da war das ja Teil von unserer Kultur, mit der Klampfe auf den Alexanderplatz zu gehen und dort heimlich Wolf-Biermann-Lieder zu singen zum Beispiel oder Bob Dylan oder Brecht."

1974 wird Nina Hagen mit der Band Automobil über Nacht mit "Du hast den Farbfilm vergessen" berühmt. Mit Witz schimmert in dieser Schlagerparodie über einen verpatzten Ostseeurlaub auch Kritik an der Misswirtschaft der DDR mit.

Für Wolf Biermann und Eva-Maria Hagen wird es in der DDR enger. Schließlich nehmen die DDR-Behörden Wolf Biermanns genehmigtes Konzert in Köln zum Anlass, ihn am 16. November 1976 auszubürgern.

Die gesamte Kulturszene der DDR ist erschüttert - über 100 Künstler:innen unterzeichnen einen offenen Brief. Auch Nina Hagen solidarisiert sich mit Biermann. Sie geht - wie ihre Mutter - noch im selben Jahr selbst nach West-Berlin. Auch sie werden ausgebürgert.

Hier legt sie richtig los: In London entdeckt sie Punk, trifft Johnny Rotten von den legendären "Sex Pistols" und spielt in der Frauenpunkband "The Slits". Zurück in West-Berlin gründet sie 1977 mit den Musikern Bernhard Potschke, Herwig Mitteregger, Manne Praeker und Reinhold Heil "Die Nina Hagen Band" (Foto).

Das gleichnamige Album wird ein internationaler Erfolg.

Die Band hält aber nicht lange. Schon 1978 trennen sich die Musiker und die extravagante Sängerin. 1979 nehmen sie aus vertraglichen Gründen dennoch - allerdings getrennt voneinander - das Album "Unbehagen" auf. Auch diese Platte verkauft sich hunderttausendfach. Die provokanten, oft witzigen Texte ihrer Songs und ihre vielseitige Stimme überzeugen.

In Amsterdam macht sie sich auf die Suche nach einer neuen Band. Sie lernt Ferdinand Karmelk kennen, der ihr Gitarrist und Partner wird. Die musikalische Zusammenarbeit ist erfolgreich - trotz der Karmelks Heroinsucht.

Im selben Jahr sorgt Nina Hagen für Wirbel, als sie nach einem Konzert mit Ferdinand in der österreichischen Talkshow "Club 2" anschaulich demonstriert, wie Frauen sich selbst befriedigen können.

Schon früh wollte Nina Hagen Mutter werden. Und sie wird es in diesen Jahren auch: Ihre und Ferdinand Karmelks Tochter Cosma Shiva wird 1981 in Los Angeles geboren. Sie wird mit ihrer Mutter Jahre im Bandbus verbringen.

In den USA nimmt sie Anfang der 1980er Jahre Frank Zappa's Manager unter Vertrag, Nina arbeitet anderem mit den "Red Hot Chili Peppers", damals noch unbekannt, zusammen und ist beliebter Gast in Talkshows. Sie ist auf der Suche nach Spiritualität - und UFOs.

1987 zieht sie in einen Wohnwagen am Tempodrom, Treff der Punkszene in West-Berlin. Die späten 1980er Jahre sind aber keine einfache Zeit für Punks: Nina Hagen wird von Skinheads schwer verletzt. Und will wieder weg aus Deutschland.

1989 tourt sie durch Frankreich und lernt Frank Chevalier, den Vater ihres Sohnes Otis, geboren 1990 kennen. In den 1990er Jahren hält sie sich längere Zeit in Indien auf. Sie lernt Sanskrit und traditionelle indische Musik. Und kommt noch bunter zurück. Otis ist im Bild neun Jahre alt.

Stilberatung erhält Hagen später von keinem geringeren als Modeikone Jean Paul Gaultier. So mausert sich Nina über die Jahre zur Punkrock-Diva. Bekannt wird sie aber auch durch ihr kalkuliertes provokantes Verhalten in Talkshows.

Neben Punk liebt Nina Hagen selbstverständlich auch Brecht: Mit Meret Becker gibt sie unter dem Titel "Wir heißen beide Anna" seine Lieder im Berliner Ensemble zum Besten. Bei der Grimme-Preis-Verleihung 1998 spielen sie den "Alabama Song". Als Zugabe gibt es einen Kuss der beiden Damen.

Nina Hagen wuchs ohne Religion auf, aber: "Ich hab denen nicht abgenommen, dass es keinen Gott gibt, ich wollte das selber testen" sagt sie 2011 in der Dokumentation "Nina Hagen, Godmother of Punk". Gott gibt ihr Halt. Mit ihrer vier Oktaven umfassenden und mit dem Alter tiefer werdenden Stimme performt sie jetzt "Personal Jesus". Und die Gospelplatte wird zum Erfolg.

Mit 54 Jahren lässt sie sich taufen. Eigentlich will sie die Taufe geheim halten, aber dann bekommen die Dorfbewohner im niedersächsischen Schüttorf doch Wind von der Sache, rund 450 wollen sie sehen. Sie ist die einzige Erwachsene, mit ihr in der Reihe: fünf kleine Kinder. Ein Jahr später, 2010, tritt sie in altbekannten Gefilden in der evangelischen Gethsemanekirche am Prenzlauer Berg auf.

2021 wird der "Farbfilm", Nina Hagen's Lied aus dem Jahr 1976, beim Großen Zapfenstreich von einem Militärorchester auf Wunsch der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel gespielt. Wer hätte das damals gedacht.

An ihrer Seite stehen über die Jahre - wie hier im Jahr 1998 - ihre Tochter Cosma Shiva (Mi), selbst Schauspielerin, und ihre Mutter Eva-Maria (re). Ihre Mutter stirbt 2022 im Alter von 87 Jahren in Hamburg. Im selben Jahr wird ihr Sohn Otis Vater, Nina Hagen zu ihrer großen Freude zum ersten Mal Großmutter.

Und jetzt wird sie 70! Wo sie doch 60 schon so "waaaaaahnsinnig alt" fand. Sie hat sich ihre Frechheiten, ihr schauspielerisches Talent, ihre Stimme, Energie, Extravaganz und Berliner Schnauze erhalten. Und nebenbei eine ganze Generation geprägt.

Bildzusammenstellung und Text: Caroline Winkler

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.03.2025, 07:05 Uhr
Weitere Bildergalerien