Digitalmesse in Berlin - Republica widmet sich Generation XYZ im Krisenmodus
Generationenkonflikt, Radikalisierung, Hass: Diese Dinge sind untrennbar mit dem Internet verbunden. Auf der diesjährigen Digitalmesse Republica sollen daher die Generationen X, Y, Z und ihr Umgang mit digitalen Medien im Fokus stehen. Von Stephan Ozsvath
Alte und Junge sind im Netz, aber nicht auf den gleichen Plattformen. Die am Montag in Berlin startende Digitalmesse Republica wolle das ändern, sagt Gründer Markus Beckedahl, und "darüber reden, wie wir die Generationen wieder zusammenbringen können". Über 200 Veranstaltungen auf verschiedenen Bühnen sollen die Brücken bauen.
Die Wiener Publizistin Ingrid Brodnig etwa wird darüber sprechen, "wie für unterschiedliche Generationen unterschiedliche Falschmeldungen gemacht werden". Sie sieht große Gefahren durch gezieltes Schüren von Empörung. Davon profitierten "Polarisierungsunternehmer" in der Politik, aber auch Medien, die auf massenhafte Clicks setzten (Clickbaiting). In ihrem Werkzeugkasten hat Ingrid Brodnig, die nicht nur Bücher schreibt, sondern auch an Schulen geht, viele Tipps für einen besseren Umgang mit toxischen Inhalten im Netz.
Zehn Jahre TinCon - die kleine Schwester der Republica
"Jugendarbeit" will auch die TinCon leisten, die parallel zur Republica in Berlin stattfindet und zu der 5.000 Gäste zu Workshops, Podiumsdiskussionen und Mitmach-Aktionen erwartet werden. Rund 130 Speaker sprechen über Beauty-Lügen oder eine Etikette im Netz. Es geht um Start-up-Gründung, Künstliche Intelligenz (KI) und den Kampf gegen Fake News.
Wie Jugendliche im Netz besser geschützt werden können, soll die neue Bundesjugendministerin Karin Prien (CDU) beantworten. Auch Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) stellt sich den Fragen der jüngeren Generationen. Fans können aber auch ihre Lieblings-Influencer treffen.
Die "Vermittlung von Medienkompetenz, Förderung von Demokratie und Stärkung der Ziele und Anliegen von Jugendlichen" seien anlässlich der zehnten Ausgabe der TinCon "wichtiger denn je", sagt TinCon-Gründer Johnny Haeusler und nennt die Herausforderungen durch KI, aber auch durch die Politik.
Wahlkampf 2.0, digitaler Faschismus und Broligarchie
Bei der letzten Bundestagswahl hatten AfD und Linke den größten Zuspruch unter Jungwählern - ist Wahlkampf 2.0 die Zukunft? Darüber wird Heidi Reichinnek, die Follower-Queen der Linken, sprechen.
In diesem Jahr - so zeigt der Blick auf das Republica-Programm - ist die Digitalkonferenz mehr denn je Krisenbarometer. Es gebe einen weltweiten Trend zum Autoritarismus, stellt Republica-Gründer Beckedahl fest: "Rechtsreaktionäre Kräfte" nutzten die Mechanismen der sozialen Plattformen, "um ihre Propaganda in unsere Gesellschaften zu bringen, sie zu vergiften - mit dem Ziel, Demokratie zu zerstören". Er sagt das mit Blick auf die USA, wo die Macht der Tech-Unternehmen immer weiter zunehme - "unter dem Schutzschirm von Donald Trump".

Auf dem Weg zum digitalen Faschismus?
"Der Faschismus ist zurück" ist die Wiener Politologin Natascha Strobl überzeugt und nennt Tesla-Chef Elon Musk als typischen Vertreter. Der Chef von X und Tesla verkörpere eine "Übermenschen-Ideologie", sagt sie. Mächtige Unternehmer wie Elon Musk, Amazon-Chef Jeff Bezos oder Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mögen keine Regulierung.
In "Freedom Cities", maßgeblich von Paypal-Gründer Peter Thiel vorangetrieben, sollen regulierungsfreie Räume entstehen. Thiel hat in eine Insel in Honduras bereits investiert. "Freedom Cities" seien feudale Kolonien, in denen "Reiche alles dürfen und Arbeiter keine Rechte haben", urteilt Politologin Strobl. Thiels Überwachungssoftware Palantir wird von immer mehr europäischen Sicherheitsbehörden genutzt.
Dabei würden Daten eingespeist, "die möglicherweise auch einmal gegen uns gerichtet werden können", befürchtet Markus Beckedahl. Europa müsse deshalb dringend unabhängiger von den US-Tech-Giganten werden, eine eigene digitale Infrastruktur aufbauen, mit dezentralen sozialen Netzwerken. Denn nicht nur die Macht der Tech Bros nimmt zu, auch die Beziehungen zum Weißen Haus sind angespannt durch Zollkriege und eine unklare Geopolitik gegenüber dem europäischen Kontinent. Was Donald Trump im Weißen Haus für die Sicherheit und die Wirtschaft in Europa bedeutet, diskutieren Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU), der Bundesbankpräsident Joachim Nagel und hochrangige EU-Gäste auf dem WDR-Europaforum.
Ein "gutes Internet" schaffen
Eine Regulierung der großen US-Tech-Unternehmen täte in Europa Not, meint Republica-Gründer Beckedahl. Denn die werden immer dreister. Um die hauseigene KI zu trainieren, hat etwa Facebook-Mutterkonzern Meta Bücher aus illegalen Datenbanken benutzt - ohne die Autoren zu fragen. Ingrid Brodnig ist davon betroffen, Markus Beckedahl auch.
In Österreich und Deutschland haben wegen des politischen Engagements von Elon Musk für Trump und die AfD Institutionen und Medienschaffende die Plattform X verlassen, die unter Elon Musk immer mehr zur rechtsextremen Echokammer verkommt.
Das Unternehmen X wollte mit der Republica kooperieren, sagt Markus Beckedahl, er habe die Anfrage aber gar nicht erst beantwortet. "Faschisten geben wir keinen Raum auf der Republica." Das jährliche Digitaltreffen solle stattdessen "Hoffnung geben" auf eine "bessere digitale Welt". Deswegen bekämen Menschen eine Bühne, die dem weltweiten Rechtsruck und Autoritarismus etwas entgegensetzten - etwa durch den Civis-Medienpreis, der Vielfalt belohnt.
Aber der Gründer von Republica und netzpolitik.org hat auch eine NGO (Nichtregierungsorganisation) gegründet: das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie. Das soll ein Gegenwicht zu Tech-Lobbygruppen wie der Bitkom sein, so Beckedahl zu seinen Plänen. Ziel ist eine "gemeinwohlorientierte Digitalpolitik" als Antwort auf die Big-Tech-Unternehmen aus den USA, die "zu politischen Akteuren werden, aber ohne demokratische Kontrolle". Auf der diesjährigen Republica fällt der Startschuss für die neue NGO.

Sendung: rbb24, 23.05.2025, 16 Uhr